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Kinderschutz in Schule und Jugendhilfe

Kinder haben ein Recht darauf, vor Vernachlässigung und Misshandlung geschützt zu werden. Pflege, Erziehung und Schutz der Kinder sind vorrangig Aufgaben der Eltern. Wenn Eltern dieser Erziehungsverantwortung aber nicht nachkommen können oder wollen, ihre Kinder vernachlässigen oder misshandeln oder sie nicht ausreichend vor Gefahren durch Dritte schützen, muss der Staat eingreifen und die zur Abwendung der Gefährdung erforderlichen Maßnahmen ergreifen.

Auf Grund des engen Kontakts zwischen Schülerinnen und Schülern und der Schulsozialarbeit sowie Lehrerinnen und Lehrern besteht die Möglichkeit, plötzlich auftretende Verhaltensänderungen und Auffälligkeiten, die auf Misshandlung oder Vernachlässigung hindeuten, zu erkennen und darauf zu reagieren. Der Aufbau eines Vertrauensklimas schafft zudem die Voraussetzung dafür, dass Schüler sich mit ihren Problemen an ihre Lehrer wenden und sich ihnen anvertrauen. Beratungslehrer und Schulpsychologen können hierfür ebenfalls geeignete Ansprechpartner sein.

Unmittelbares Handeln der Schule ist erforderlich, wenn dort gewichtige Anhaltspunkte für eine Gefährdung oder Beeinträchtigung des Wohls eines Schülers bekannt werden. Die Schule ist in diesem Fall verpflichtet, das Gespräch mit den sorgeberechtigten Eltern zu suchen und auf Hilfeangebote hinzuweisen. Zur fachlichen Unterstützung und Einschätzung soll die Schulsozialarbeit in die Kooperation einbezogen werden. Erst wenn das nicht fruchtet oder eine akute Gefährdung vorliegt, sind die zuständigen Stellen, insbesondere das Jugendamt, zu informieren. § 85 Absatz 3 SchG konkretisiert die Pflichten der Schule. Er bestimmt: "Die Schule soll das Jugendamt unterrichten, wenn gewichtige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Wohl eines Schülers ernsthaft gefährdet oder beeinträchtigt ist; in der Regel werden die Eltern vorher angehört. Zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung arbeiten Schule und Jugendamt zusammen."

Diese Regelung stellt klar, dass auch die Schule das staatliche Wächteramt nach Artikel 6 Absatz 2 Satz 2 GG, wonach die staatliche Gemeinschaft über die Betätigung der Erziehungspflicht der Eltern zu wachen hat, wahrzunehmen hat. Die Schule ist verpflichtet, das Jugendamt zu informieren, wenn gewichtige Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Wohls eines Schülers vorliegen. Die Schule erhält somit zugleich die notwendige Rechtssicherheit. Für den Regelfall ist eine Anhörung der Eltern vorgesehen. In begründeten Ausnahmefällen, etwa bei einer körperlichen Misshandlung eines Kindes, kann die Anhörung unterbleiben.

Das Gesetz sieht in § 8b SGB VIII vor, dass Personen, die beruflich in Kontakt mit Kindern oder Jugendlichen stehen, bei der Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung im Einzelfall gegenüber dem örtlichen Träger der Jugendhilfe Anspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft haben. Als Lehrerin/Lehrer sind Sie also zu diesem Zweck befugt, der Kinderschutzfachkraft die dafür erforderlichen Daten zu übermitteln; vorher sind diese Daten zu pseudonymisieren.

Für die Kinder- und Jugendhilfe ist Kinderschutz eine der zentralen Aufgaben. In § 1 Absatz 3 des Achten Buchs des Sozialgesetzbuchs (Kinder- und Jugendhilfe; SGB VIII) heißt es: " Jugendhilfe soll […] insbesondere

  1. junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen,
  2. Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und unterstützen,
  3. Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen,
  4. dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen."

Erfährt das Jugendamt zum Beispiel durch Kontakte mit jungen Menschen oder durch Informationen anderer Personen oder Institutionen von gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung, bewerten und überprüfen die Fachkräfte des Allgemeinen Sozialen Dienstes diese Hinweise in einem strukturierten Verfahren. Zu den Verfahrensstandards gehören nach § 8a SGB VIII insbesondere das Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos sowie die Einbeziehung des Kindes oder Jugendlichen. Auch die Personensorgeberechtigten werden in die Gefährdungseinschätzung einbezogen, soweit dadurch nicht der wirksame Schutz des Kindes oder Jugendlichen in Frage gestellt wird. Wenn das Jugendamt Jugendhilfeleistungen für geeignet und erforderlich hält, bietet es diese Hilfen an. Ist das Tätigwerden anderer Leistungsträger, der Einrichtungen der Gesundheitshilfe oder der Polizei erforderlich, werden die Eltern motiviert, deren Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wenn die Überzeugungsarbeit nicht gelingt oder aus Dringlichkeitsgründen nicht mehr möglich ist, schaltet das Jugendamt diese Stellen selbst ein. Um Kinder und Jugendliche wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, ist sowohl die Mitwirkung der Eltern als auch die der Kinder und Jugendlichen bei der Verbesserung ihrer jeweiligen Lebenssituation erforderlich. Die Einbeziehung der Personensorgeberechtigten ist im Kinderschutz die zentrale Herausforderung für die Jugendämter. Die Gefährdung einzuschätzen, Einsicht und Motivation bei den Betroffenen herzustellen, Hilfe- und Schutzkonzepte mit den Familien und teilweise umfangreichen Helfersystemen (dazu zählt auch die Schule) zu erarbeiten und die Umsetzung von Hilfen und Interventionen zu begleiten und gegebenenfalls zu kontrollieren, ist zeitintensiv.

Eingriffe in das Personensorgerecht darf nur das Familiengericht, nicht aber das Jugendamt vornehmen. Das Jugendamt muss deshalb das Familiengericht anrufen, wenn die Eltern notwendige Hilfen nicht annehmen wollen. Dies gilt auch, wenn die Eltern nicht bereit oder in der Lage sind, an der Einschätzung des Gefährdungsrisikos mitzuwirken, zum Beispiel indem sie in notwendige medizinische Abklärungen nicht einwilligen oder die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt ganz verweigern. Das Jugendamt unterstützt das Familiengericht in dem gerichtlichen Verfahren, unterrichtet insbesondere über angebotene und erbrachte Leistungen, bringt erzieherische und soziale Gesichtspunkte zur Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen ein und weist auf weitere Möglichkeiten der Hilfe hin (§ 50 SGB VIII).

Wenn das Kind oder der Jugendliche darum bittet oder bei dringender Gefährdung eine familiengerichtliche Entscheidung nicht abgewartet werden kann, ist das Jugendamt verpflichtet, das Kind oder den Jugendlichen in Obhut zu nehmen (§ 42 SGB VIII). Das Jugendamt kann das Kind oder den Jugendlichen dabei auch vorläufig bei einer geeigneten Person oder Einrichtung unterbringen. Die Eltern bzw. Sorgeberechtigten müssen vom Jugendamt unverzüglich informiert und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abgeschätzt werden. Hält das Jugendamt dann ohne die Einwilligung der Personensorgeberechtigten die Fortführung der Unterbringung oder weitere Schutzmaßnahmen für erforderlich, ist es verpflichtet, das Familiengericht anzurufen, um eine familiengerichtliche Entscheidung herbeizuführen.

Zur gemeinsamen Umsetzung des Schutzauftrags für Kinder und Jugendliche im Main-Tauber-Kreis wurden bereits 2012 Handlungsempfehlungen erarbeitet und in einer Vereinbarung zwischen dem Schulamt und dem Jugendamt festgelegt. Diese Vereinbarung ist hier hinterlegt.

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