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13.01.2023

Bürgermeisterin Heike Naber kann in Amt zurückkehren

Im Gerichtsverfahren um die vorläufige Dienstenthebung der Niederstettener Bürgermeisterin Heike Naber hat das Landratsamt Main-Tauber-Kreis eine abschließende Entscheidung getroffen. Die Behörde nimmt ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beim Bundesverwaltungsgericht zurück. Damit kann die Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) vom 27. Oktober 2022 eintreten und Bürgermeisterin Naber im Anschluss wieder in ihr Amt zurückkehren.

Diese Entscheidung hat das Landratsamt in der laufenden Woche sowohl dem Rechtsbeistand der Bürgermeisterin als auch dem Amtsverweser Simon Michler und den ehrenamtlichen Bürgermeisterstellvertretern mitgeteilt. Die Beschwerde hatte die Kreisverwaltung zunächst rein vorsorglich und fristwahrend eingelegt, um das ausführliche und komplexe VGH-Urteil sorgfältig prüfen zu können.

„Die Angelegenheit beschäftigt die Kommunalpolitik in Niederstetten inzwischen seit zweidreiviertel Jahren, dies ist eine lange Zeit“, fasst Landrat Schauder zusammen. „Dabei sind die Geschehnisse zum Teil mit hohen Belastungen für alle Beteiligten verbunden. Gerade weil die vorläufige Dienstenthebung vor meinem Amtsantritt erfolgte, war es mir ein wichtiges Anliegen, dass sich der VGH als oberstes Verwaltungsgericht unseres Bundeslandes mit dem Vorgang befasst. Da es zudem einen vergleichbaren Fall in der jüngeren Geschichte des Landes Baden-Württemberg noch nicht gegeben hat, war es richtig, den Weg der Berufung nach Mannheim zu gehen und somit Klarheit zu erhalten.“ Dies sei nunmehr der Fall; der Verwaltungsgerichtshof habe Recht gesprochen.

Aufrechte Demokraten müssen Urteile der unabhängigen Justiz respektieren

„Die vorläufige Dienstenthebung der Bürgermeisterin wurde für rechtswidrig erklärt. Dieses Urteil gilt es nun zu respektieren, und genau dies erwarte ich von allen Beteiligten. Es ist die Aufgabe von aufrechten Demokratinnen und Demokraten, rechtskräftige Urteile einer unabhängigen Justiz und damit eines Eckpfeilers unseres demokratischen Gemeinwesens vorbehaltlos zu akzeptieren, auch wenn ein Urteil von Einzelnen als ungerecht empfunden werden sollte. Gerade in Zeiten, in denen es immer wieder Versuche gibt, die Eckpfeiler unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung zu untergraben, ist dies unsere Pflicht“, macht Landrat Schauder deutlich.

Disziplinarverfahren wird neu aufgerollt – Ziel ist Rechtssicherheit für die Zukunft

Das VGH-Urteil enthält aus Sicht des Landrats klare Aussagen zu formellen Fehlern, welche die Kreisverwaltung zu seinem Bedauern beim Erlass der vorläufigen Dienstenthebung gemacht habe, aber auch zur materiellen Rechtmäßigkeit der Verfügung selbst. Vor diesem Hintergrund hat Landrat Schauder innerhalb des Landratsamtes das Justiziariat mit der Fortführung des Disziplinarverfahrens betraut, nachdem bisher das Kommunal- und Rechnungsprüfungsamt federführend war. „Um Rechtssicherheit für die Zukunft zu erlangen, wird das Verfahren darüber hinaus noch einmal komplett neu aufgerollt. Damit greift das Landratsamt einen klaren Hinweis des Verwaltungsgerichtshofs auf“, erläutert Schauder den weiteren Ablauf.

Beteiligte müssen sich die Hände zur professionellen Zusammenarbeit reichen

Der VGH habe in der mündlichen Verhandlung im vergangenen Oktober zudem den Eindruck gewonnen, dass die Bürgermeisterin zu einem Neuanfang und einer konstruktiven Zusammenarbeit bereit sei. „Eine solche Bereitschaft muss, darauf weist das Gericht in seinem Urteil vollkommen zu Recht hin, auch vom Gemeinderat, dem Rathausteam und insbesondere vom jetzigen Amtsverweser erwartet werden, der in Personalunion die Stelle des Hauptamtsleiters ausfüllt. Daher rufe ich die genannten Beteiligten, aber ausdrücklich auch die Bürgermeisterin, dazu auf, zu einer professionellen Zusammenarbeit zusammenzufinden“, unterstreicht Landrat Schauder.

Landkreisverwaltung kann Argumentation des VGH nachvollziehen

Wie Erster Landesbeamter Florian Busch ergänzt, kann die Landkreisverwaltung nach umfassender Prüfung des Urteils die Argumentation des VGH nachvollziehen, der in der Verfügung des Landratsamtes zur vorläufigen Dienstenthebung durchgreifende formelle Mängel festgestellt hat. Das Gericht kritisierte insbesondere die Mitwirkung des Kommunal- und Rechnungsprüfungsamtsleiters im Verfahren trotz begründeter Besorgnis der Befangenheit und die de facto unterbliebene Anhörung der Bürgermeisterin.

„Es ist grundsätzlich nachvollziehbar, dass der damalige Landrat Reinhard Frank im April 2021 schnell handeln wollte, als die Bürgermeisterin durch Austausch der Schlösser faktisch aus dem Rathaus ausgesperrt wurde und im Raum stand, dass die Mitarbeitenden den Dienstbetrieb eingestellt hätten. Allerdings hebt der VGH in seinem Urteil ausführlich hervor, dass die Anhörungsfrist für die Bürgermeisterin seinerzeit nicht verkürzt werden durfte, was nun wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Verfügung formell rechtswidrig ist“, fasst Busch zusammen.

Zwar habe das Gericht festgestellt, dass die materiellen Voraussetzungen einer störungsabwehrenden vorläufigen Dienstenthebung bei ihrem Erlass zunächst wahrscheinlich vorlagen. Das Landratsamt dürfte im April 2021 also korrekt prognostiziert haben, dass die notwendige vertrauensvolle Zusammenarbeit insbesondere mit dem Gemeinderat, aber auch mit den Mitarbeitenden der Verwaltung, nur schwer möglich gewesen wäre.

Derzeit keine tragfähige Grundlage für vorläufige Dienstenthebung mehr

Wer nun aber davon ausgehe, dass der Verwaltungsgerichtshof den Weg gewiesen habe, dass eine neue vorläufige Dienstenthebung erreicht werden könne, wenn diese nur in formal korrekter Weise nochmals verfügt werde, der liege grundfalsch: „Das Gericht hat klar herausgestellt, dass zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Oktober 2022 sehr wahrscheinlich keine Gründe für eine vorläufige Dienstenthebung mehr vorgelegen haben. Allein die fehlende Bereitschaft einzelner oder auch aller Gemeinderäte zur Zusammenarbeit genügen hierzu nicht, zumal der Gemeinderat mit der rechtswidrigen Aussperrung der Bürgermeisterin einen nicht unerheblichen Beitrag zur Eskalation geleistet hat“, erläutert Florian Busch.

Zudem verweist der VGH darauf, dass sich im Rathaus inzwischen eine gewisse personelle Fluktuation ergeben habe, so dass der Neustart mit einem in Teilen erneuerten und somit unbelasteten Team erfolgen könne. Insbesondere müsse vom derzeitigen Amtsverweser, der in Personalunion auch Hauptamtsleiter ist, die Bereitschaft zu einer professionellen Zusammenarbeit mit der Bürgermeisterin erwartet werden. Ergänzend könne eine externe Vermittlung eingeschaltet werden. „Sofern dies von den Beteiligten in Betracht gezogen wird, kann diese Vermittlerrolle aber keinesfalls das Landratsamt übernehmen, da es im vorliegenden Fall bereits als Disziplinarbehörde fungiert und somit Ermittlungstätigkeiten wahrnehmen muss“, erklärt Busch.

Vorzeitige Beendigung der Dienstzeit scheidet als Mittel aus

Wie Erster Landesbeamter Florian Busch betont, ist auch die vorzeitige Beendigung der Dienstzeit der Bürgermeisterin nach § 128 der Gemeindeordnung, die bereits öffentlich diskutiert wurde, aktuell kein denkbarer Weg. Nach dieser Vorschrift kann unter bestimmten Voraussetzungen die Amtszeit eines Bürgermeisters für beendet erklärt werden. Über die vorzeitige Beendigung der Amtszeit entscheidet das zuständige Verwaltungsgericht auf Antrag der oberen Rechtsaufsichtsbehörde. „Hier wird oft übersehen, dass für einen solchen Antrag nicht das Landratsamt Main-Tauber-Kreis, sondern vielmehr das Regierungspräsidium Stuttgart als obere Rechtsaufsichtsbehörde zuständig wäre. Das Regierungspräsidium hat aber bereits mehrfach deutlich gemacht, dass es keinen solchen Antrag beim Verwaltungsgericht Stuttgart stellen wird, zumal genau dieses Gericht in erster Instanz die vorläufige Dienstenthebung als materiell rechtswidrig verworfen hat“, fasst der Erste Landesbeamte zusammen.

Vorgeschichte

Nach einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Bürgermeisterin Heike Naber vom 27. Mai 2020 hatte der damalige Landrat Reinhard Frank mit Verfügung vom 30. Juli 2020 ein Disziplinarverfahren eingeleitet.

Mit Schreiben vom 19. November 2020 wurde eine weitere Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Bürgermeisterin eingereicht. Am 10. Dezember 2020 verfügte der damalige Landrat, das laufende Disziplinarverfahren auf die neuen Vorwürfe auszudehnen und es gleichzeitig auszusetzen, da hinsichtlich einer Strafanzeige staatsanwaltschaftliche Ermittlungen liefen, die bis heute andauern.

Als die Bürgermeisterin am 26. April 2021 nach längerer Erkrankung in den Dienst zurückkehren wollte, wurde ihr der Zutritt zum Rathaus durch Auswechseln der Türschlösser verwehrt. Daraufhin wurde sie am 27. April 2021 durch das Landratsamt vorläufig des Dienstes enthoben. Nach einer Klage der Bürgermeisterin hob das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 15. September 2021 die vorläufige Dienstenthebung auf. Die Berufung des Landratsamtes Main-Tauber-Kreis gegen dieses Urteil wies der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Urteil vom 27. Oktober 2022 zurück. Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen. Das Landratsamt legte zunächst Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ein, wird diese aber in den nächsten Tagen zurücknehmen.

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