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Haushaltsrede Freie Wählervereinigung

Sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine sehr geehrten Damen und Herren von Verwaltung und Presse,
werte Kreiseinwohnerinnen und Kreiseinwohner,

die Verabschiedung des Haushaltes ist alljährlich das Königsrecht des Kreistages. Es ist der Fraktion der Freien Wähler wichtig, auch in diesem Jahr zu den bedeu­tendsten inhaltlichen Positionen, Perspektiven und Herausforderungen des vorlie­genden Zahlenwerks Stellung zu nehmen. 739 Seiten geballtes Zahlenwerk - das muss erst einmal zusammengestellt werden.

Nun, ich kann mich nicht erinnern, einen Kreishaushalt so intensiv besprochen und diskutiert zu haben wie diesen Haushalt für das Jahr 2023 und die dazu gehö­rende mittelfristige Finanzplanung. Alleine über 14 Stunden intensiver Austausch in den jeweiligen Ausschüssen und im Kreistag! Unsere Aufmerksamkeit wurde bis hin zur Belastungsgrenze eingefordert! Und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, erschwerend mitten in der Fußball-WM. Trost - versäumt haben wir nicht viel, denn passend zur Wüste, war da verdammt viel Sand im Getriebe unserer Nati­onalmannschaft.

Nein, alle Kolleginnen und Kollegen im Kreistag zeigten großes Engagement, leis­teten damit wertvolle Arbeit zum Wohle unserer Kreiseinwohnerschaft.

Es waren aber auch erschwerte Bedingungen, unter denen die Betrachtungen standen. Die Gründe sind Ihnen allen bekannt. Ob der russische Angriffskrieg mit den einhergehenden, rapiden Verteuerungen von Gas und Strom, die instabilen Lieferketten, der von ungekannten Preissprüngen geprägte Baukostenindex, die auf eine Rezession hindeutenden Wirtschaftsdaten oder auch die Ungewissheit, in welchem Umfang wir weiteren geflüchteten Menschen im Main-Tauber-Kreis Schutz bieten werden.

Selten war eine Haushaltsplanung mit so viel Unsicherheit konfrontiert. Nicht zuletzt durch den sehr spät eingegangenen Haushaltserlass des Landes. Wir, die Freien Wähler, sind aber überzeugt, dass wir mit dem vorliegenden Zahlenwerk eine stabile Grundlage erarbeitet haben, die uns gut durch das Jahr 2023 bringt und auch die Zu­kunft fest im Blick hat.

Den Kreishaushalt prägen vorweg drei wesentliche Merkmale: Der Verzicht auf die Anhebung des Kreisumlagehebesatzes und Beibehaltung der 29,5 von Hundert, die weiterhin ungebrochene Investitionsfreude sowie einem Rekordergebnis im Soziale­tat und beim Personaletat.

Erfreulich ist die Tatsache, dass im partnerschaftlichen Miteinander zwischen Land­kreis und Kommunen beim Hebesatzkontinuität gewahrt wurde. Ermutigt wurden wir dabei durch die erneut steigenden Steuerkraftsummen der Kommunen, so dass unter dem Strich dennoch Mehreinnahmen für den Landkreis zu verzeichnen sind.

Auch 2023 geht es um echte Perspektiven, um Kontinuität, zukunftsorientiertes Handeln und Nachhaltigkeit!

Antizyklisch sollen die öffentlichen Haushalte handeln! Wir haben mit dem rechtzeiti­gen Start unserer Großbaustellen „Berufsschulzentrum Wertheim", der Straßen­meisterei in Külsheim, der Fertigstellung des Bauvorhabens „Zwischen den Bä­chen" in Bad Mergentheim und vielen energetischen Sanierungen Flagge gezeigt und Mut bewiesen.

Ein Investitionsvolumen von 33,4 Millionen Euro Bruttoinvestitionssumme zeigt einen neuen Höchststand und beweist eindrücklich die Dynamik in unserem Landkreis.

Dies konnten und können wir uns auch erlauben, da wir in den Vorjahren gut gewirt­schaftet haben und stetig Schulden abgebaut haben. Auch der in der letzten Sit­zung durch den Kreistag genehmigte, sehr gute Jahresabschluss 2021 zeigte wiede­rum eine Ergebnisrücklage von 13,75 Millionen Euro und bestätigte darüber hinaus die Tatsache, dass wir bis Ende 2021 keine der vorgesehenen Millionen-Kredite aufru­fen mussten. Auch der Finanzzwischenbericht für 2022 verspricht erneut eine Er­gebnisrücklage in guter zweistelliger Millionenhöhe und gibt uns trotz einem ersten Kredit in Höhe von 9 Millionen Euro die begründete Zuversicht, den Haushalt auch 2023 ebenfalls ausgleichen zu können.

In 2023 folgt ein weiterer Kredit in Höhe von 7 Millionen Euro, wobei die mittelfristig bis 2026 vorgesehene Kredithöhe von weiteren 47 Millionen Euro und der damit verbundene Schuldenberg uns Freien Wählern zu hoch prognostiziert erscheint. Wir wissen um die Sorgfalt der Kreiskämmerei und haben größtes Vertrauen in die Akteure, die es bisher immer wieder schafften, bessere Ergebnisse am Jahresende zu präsentieren. 

Lassen Sie mich auf einzelne, besondere prägende Positionen im Haushalt kurz ein­gehen. Da ist auf den Sozialhaushalt mit den damit verbundenen Transferleistungen von sage und schreibe 96,5 Millionen Euro und den resultierenden Nettozuschussbedarf von fast 57 Millionen Euro hinzuweisen! Liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es je ein Ende dieser sich jährlich immer weiterdrehenden Schraube? Wir wissen, es handelt sich um Pflichtaufgaben und ist keine Kür!

An dieser Stelle passt der Dank, sehr geehrter Herr Landrat, dass Sie den Antrag der Freien Wähler positiv und wohlwollend begleiten, die Schulsozialarbeit im Einklang mit den Kommunen mit einer echten Drittelförderung zu unterstützen. Mit diesem Schritt setzen wir ein klares Zeichen, die individuelle und soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen frühzeitig zu fördern. Auch die präventive Leistung wie zum Beispiel der aktiven Begleitung in Sachen Integration muss hier erwähnt wer­den. Hinweisen möchte ich noch auf die COPSY-Studie, wonach frühzeitig dringend Handlungsbedarf besteht und die Aufgabenstellungen sich in den Schulen aufwändi­ger als vor der Pandemie zeigen. Es geht hier erneut vor allem um Kinder und Ju­gendliche aus sozial benachteiligten Familien, die besonders betroffen sind.

Der Beschluss passt übrigens auch zur Ad-hoc Empfehlung des Deutschen Ethikrates von Ende November "Aufmerksamkeit, Beistand und Unterstützung für Kinder und Jugendliche in gesellschaftlichen Krisen".

Der Haushalt 2023 ist aber auch bestimmt durch die erneut um ca. 2,5 Millionen Euro, in Summe auf nunmehr über 45 Millionen Euro gestiegenen Personalausgaben und erfährt auch in diesem Jahr unsere besondere Beachtung. Hier kann man nur hoffen, dass die eingearbeiteten Tariferhöhungen ausreichend sind, denn die im Januar beginnen­den Verhandlungen orientieren sich sicherlich an der derzeitig hohen Inflation. Wir stehen zum Personal und so passt an dieser Stelle der herzliche Dank der Fraktion der Freien Wähler an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landratsamtes in al­len Ämtern und Verwaltungsstellen für die tolle Arbeit.

Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zur Organisationsstruktur. Die Fraktion der Freien Wähler begleitet die umgesetzte Einrichtung des "Amtes für Kultur und Touris­mus" sowie des Amtes für "Wirtschaft und Klimaschutz" mit großem Interesse. Hier sind die Schwerpunkte nunmehr klar definiert und entsprechend sind die Erwartun­gen hoch.

Zum Themenfeld Tourismus passt auch unser Kleinod "Kloster Bronnbach". Hier unterstützen wir nicht nur die sehr sinnige Planungsrate, die im Haushalt zur Sub­stanzerhaltung vorgesehen ist, sondern bitten eindringlich darum, dass alle - und ich betone - alle erdenklichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, hier mit der Pächterfa­milie ein gemeinsames, einvernehmliches Miteinander weiter zu erhalten. Denn, sehr geehrter Herr Landrat, schon Socrates wusste, "Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen!"

Dass das Land selbstbewusst eine neue touristische Gebietskulisse „TOP of BW" kreiert ist bemerkenswert. Wichtig ist hierbei aber weiterhin auch der Fokus zum Tourismusverband "Franken" über den Tourismusverband "Liebliches Taubertal".

Jede touristische Destination lebt von seiner Erreichbarkeit und damit von zweckmä­ßig ausgebauten Fahrrad- und Wanderwegen, aber auch von gut ausgebauten Stra­ßen. Deshalb ist es uns Freien Wählern alle Jahre wichtig, dass unsere Kreisstra­ßen, deren Ertüchtigung und das damit verbundene Deckenprogramm umfassend fi­nanziell ausgestattet und umgesetzt wird.

Stolz können wir auf die guten Ergebnisse samt Investitionen in den ÖPNV und in den Breitbandausbau sowie das Megathema Digitalisierung sein. Hier sind wir weiter zukunftsorientiert ausgerichtet, denn durch die Kooperation mit der BBV be­kommen wir eine Breitbandversorgung über Glasfaser und damit ultraschnelle Netze. Damit eröffnen wir unseren Kreisbürgerinnen und -bürgern die einmalige Chance auf eine optimierte digitale Zukunft! Schön, dass der Ausbau vor wenigen Tagen offiziell startete.

Am Ausbau des ÖPNV müssen wir "dranbleiben". Der Bogen ist ja schon von den Mobilitätszentralen bis hin zum Ruf-Taxi weit gespannt. Erlauben Sie mir auf das Thema Bahn und die damit verbundenen Haltepunkte nicht einzugehen. Bei den in der Presse zu lesenden Statements fällt einem nichts mehr ein! Hier ist nur Verwun­derung auch ob der Wortwahl der Bahn angebracht.

Ein besonderes Augenmerk verdient die gezielte Ausrichtung hin zu einem klima­neutralen Landkreis! Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir im Landkreis den Kli­maschutz in all unseren Handlungen und Entscheidung stets mit einbinden und re­flektieren. Dies bei den Neubauten, bei den Beschaffungen, aber auch bei den um­fassenden Sanierungen. Klar ist, wir müssen Energie sparen. Das bedeutet weniger verbrauchen und Effizienzgewinne heben. Wir müssen uns immer wieder die Frage stellen, was tun wir aktiv für den Klimawandel?

Dazu passt noch eine Bemerkung zu unserem Schwerpunkt zur Biodiversität! Hier müssen wir für die von uns ausgerufene Biomusterregion für mehr Wahrnehmung und Sensibilität sorgen! Vermehrte regionale Wertschöpfung muss unser Ziel sein!

Lassen Sie mich noch zwei weitere Bereiche aufblenden. Wir haben im nächsten Tages­ordnungspunkt zwar nochmals das Thema AWMT. Seit Jahren fordern wir Freien Wähler eine gelbe Tonne! 2019 haben wir bereits eine solche gefordert. Was ist ei­gentlich aus diesem Projekt geworden? In vielen Landkreisen ist die Tonne bereits erfolgreich eingeführt. Wir sind immer noch der Überzeugung, dass die Einführung ein positiver Beitrag zur Müllvermeidung wie auch zur Verbesserung der Abholsitua­tion ist. Der Missbrauch der Säcke wäre unterbunden und auch die private Lagerung zu Hause ergäbe mit Rest- und Biomülltonne einen guten Dreiklang.

Auch gilt es, mit Elan die Wertstoffhöfe im Landkreis zu ertüchtigen und auszu­bauen. Hier bewegen wir uns noch weit hinter unseren Nachbarkreisen, wie zum Bei­spiel dem „Team Orange" in Unterfranken. Wir Freien Wähler wünschen uns größt­mögliche Flexibilität! Verzögert sich ein Großprojekt, so sollten beim AWMT rechtzei­tig genehmigte Baugesuche von den vorgesehenen Recycling-Inseln vorhanden sein, denn diese wirken sicher nachbarschaftlich entlastend und lassen die Umset­zung des flächendeckenden Gesamtkonzeptes schneller erreichen.

Lassen Sie mich noch auf eine weitere, bemerkenswerte und nicht selbstverständli­che Leistung des Haushaltes hinwiesen. Der vorliegende Haushaltsentwurf sieht kei­nerlei Kürzungen bei den freiwilllgen Leistungen vor, weder finanziell noch qualita­tiv. Mit weit über 4 Millionen Euro stützen und unterstützen wir Bildungs- und Kulturein­richtungen, die Vereinswelt, aber auch soziale Organisationen bis hin zu unserem kreiseigenen Jugendblasorchester. Die geförderten Einrichtungen und Organisatio­nen leisten eine hervorragende Arbeit, fördern die Identifikation und sorgen mit für die hohe Lebensqualität in unserem Landkreis.

Sehr geehrter Herr Landrat, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gäbe noch viele The­men aufzublenden, aber für uns Freie Wähler ist dieser Haushalt 2023 ein Haus­halt mit Maß und Ziel, ein Haushalt, der das Notwendige und Machbare verbin­det. Sparsam, konservativ und mutig! Dieser Haushalt sendet eine Menge positi­ver Signale. Der Landkreis ist und bleibt mit seinem hohen Investitionsvolumen ein Konjunkturtreiber! Dass das so ist, verdanken wir auch unserer mutigen Entschei­dung von 2011/2012, mit der BBT unsere Krankenhauslandschaft zu ordnen! Wäh­rend viele Landkreise alljährlich heftige Abmangelzahlungen zu verkraften haben, gibt uns die damalige Entscheidung heute die Luft, so zukunftsorientiert zu arbeiten.

Gute Verwaltungsarbeit und gute Gremienarbeit zeichnet sich immer auch durch eine strategische Weitsicht aus. Aufgrund der dargestellten mittelfristigen Finanzplanung und der damit verbundenen Erhöhung des Hebesatzes ist es sicher wertvoll, hier den Kreistag frühzeitig mitzunehmen und die Entwicklungen transparent aufzuzeigen. Hier regen wir an, im Herbst/Oktober 2023 im Rahmen einer Haushaltsklausur die weitere, nachhaltige Entwicklung gemeinsam zu diskutieren.

Ich möchte betonen, unser Landkreis steht gut da! Klimafreundlich, sozial, familien­freundlich und stets handlungsfähig. Bleiben wir optimistisch!

Die coronabedingten Herausforderungen und ihre Auswirkungen werden uns sicher­lich noch auf längere Sicht belasten. Dem können wir nur mit einer weiterhin verant­wortungsvollen Haushaltspolitik begegnen. Apropos Corona, ein Kabarettist hat emp­fohlen, man solle doch bitte nicht mehr über Corona reden, denn dann sei es auch nicht mehr in aller Munde.

Zusammenfassend kann ich für die Fraktion der Freien Wähler feststellen, dass wir dem Haushalt 2023 sowie der mittelfristigen Finanzplanung geschlossen zustimmen.

Abschließend bedanke ich mich bei allen Kolleginnen und Kollegen des Kreistages, insbesondere bei Ihnen, sehr geehrter Herr Schauder, als Landrat mit all' Ihren Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern, insbesondere der Kreiskämmerei, die nicht nur mit der gewohnten Sorgfalt und einer guten Zusammenarbeit diesen Haushalt umgesetzt ha­ben. Das Vertrauen in die Akteure Dietmar Freidhof und Philipp Freitag ist ungebro­chen und trägt maßgeblich zu der heutigen Harmonie bei.

Und ich will mich auch bei meiner Kollegin und den Kollegen aus der Fraktionsvorsit­zendenrunde bedanken. Wir haben gemeinsam an einem Strang gezogen, uns kon­struktiv ergänzt und immer fair auf gleicher Augenhöhe diskutiert.

Zum Schluss, Ihnen allen und Ihren Familien wünsche ich im Namen der Fraktion und insbesondere persönlich einen schönen Advent, frohe Weihnachten, Zeit für ei­nen Rückblick, um Erreichtes zu genießen, Zeit für einen Augenblick, um neue Ziele zu erkennen und mit voller Kraft und Zuversicht in das neue Jahr zu starten.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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