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Haushaltsrede Bündnis 90 / Die Grünen

Stellungnahme zum Kreishaushalt 2022 durch Fraktionsvorsitzenden Rainer Moritz:

Klimaschutz

Zwar ist die Corona-Pandemie für viele das dringendste Problem, aber wenn wir dies mehr oder weniger gut überstanden haben werden, bleibt der Klimaschutz das Menschheitsproblem. Global denken, lokal handeln ist die Devise. Nicht nur die Glasgow-Konferenz sondern auch die beiden Wahlen in diesem Jahr haben deutlich gemacht, dass immer mehr Menschen, vor allem Junge, die noch die Zukunft vor sich haben, hier Antworten und Ergebnisse verlangen.

Die Ampel-Koalitionäre, aber vor allem auch die grüngeführte Landesregierung haben deutlich gemacht, dass sie die Zeichen der Zeit verstanden haben. Auch bei uns im Landkreis ist die Botschaft angekommen. Bei der letzten Sitzung des Lenkungskreises „Klimaschutz im Main-Tauber-Kreis“ am 9. November, bei der leider viele Fraktionen nicht vertreten waren, wurde unser im Jahr 2019 beschlossenes Klimaschutzkonzept detailliert einem Umsetzungs-Check unterworfen. Dank dem kleinen, aber engagierten Team der Energieagentur konnte bereits einiges auf den Weg gebracht werden. Die Unterstützung des Stadtwerks Tauberfranken wurde und wird dankbar angenommen. Wegen des fehlenden Klimaschutzmanagers war nicht mehr zu leisten, aber die Energieagentur wird bald durch einen Energiemanager bzw. einer Energiemanagerin verstärkt werden. Das neue Klimaschutzgesetz des Landes macht es unserer Meinung nach dringend erforderlich, das bestehende Klimaschutzkonzept des Landkreises zu evaluieren und fortzuschreiben. Erfreulich ist ferner, dass sich auch einige Kommunen auf den Weg gemacht haben, dies vor Ort in Angriff zu nehmen. Die zusätzliche Stelle eines/r Klimaneutralitätsmanagers/in wurde in die Änderungsliste für den Kernhaushalt aufgenommen. Die 65 prozentige Förderung des Landes ist für mich eine reine Formsache. Ein Thema, das uns in den nächsten Jahren beschäftigen wird, ist die Thematik Freiflächenfotovoltaik. Dies wurde von der Energieagentur schon mehrmals mit großer Resonanz aufgegriffen. Im Gegensatz zu Bayern ist bei uns da noch viel Luft nach oben. Extrem wichtig, um die Akzeptanz zu erreichen, ist Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung.

Eine Anregung unsererseits wäre noch, die Klimarelevanz aller Beschlüsse nicht nur pauschal mit positiv – keine – negativ zu bewerten, sondern dies genauer zu bestimmen, um den Fortschritt Richtung klimaneutrale Verwaltung nachvollziehbar zu machen.

Bio-Musterregion

Am 1. Oktober hat der Regionalmanager endlich seine Arbeit aufgenommen. Seit dem hat man leider nichts mehr von ihm gehört. Die Steuerungsgruppe soll erstmals noch in diesem Jahr zusammen kommen. Wir setzen, nach wie vor, große Erwartungen in dieses Projekt. Zu Recht wird man regelmäßig gefragt, warum die Umsetzung der Themen, die beim Bewerbungsprozess beschlossen wurden, nicht erkennbar sind. Um es klar zu sagen, dieses Projekt soll uns als Bio-Musterregion voran bringen. Da ist es nicht notwendig und hilfreich, stets zu betonen, dass es auch nach wie vor eine konventionelle Landwirtschaft gibt, die es zu fördern gilt. Nur wenn Bio-Musterregion drin ist, darf es auch außen draufstehen. Der Handlungsleitfaden sind die Themen, die bei der Bewerbung aufgezählt wurden – dies ist die Richtschnur. Gerade auch im Hinblick auf Weinbau und Tourismus, aber eben nicht nur. Die Expertise der vielen Akteure, die geholfen haben, die Bewerbung zum Erfolg zu führen, ist zu nutzen und diese Personen warten darauf, eingebunden zu werden.

Mobilität

Auch das Thema Mobilität ist ein Thema des Klimaschutzes. An den beiden Achsen des Landkreises, Tauberbahn und Frankenbahn, wohnt und arbeitet der Großteil unseres doch insgesamt dünn besiedelten Landkreises. Nach Jahrzehnten der Vernachlässigung und des Abbaus findet ein Umdenkungsprozess statt.

Erkennbar ist, dass die Infrastruktur dringend saniert werden muss. Tunnel, Bahnhöfe, Haltestellen, Signaltechnik, Fuhrpark seien beispielhaft genannt. Die Attraktivität eines ÖPNVs beginnt auch beim Umfeld. Nur so lässt sich das Image zum Positiven wenden. Verständlicherweise fährt keine Diesellok mehr von Bad Mergentheim nach Würzburg, aber warum kein Hybridfahrzeug oder besser gleich die Elektrifizierung der Tauberbahn? Es mangelt, wie so oft, am Geld. Ich hege da große Hoffnung auf die neue Koalition in Berlin, die ja die Regionalisierungsmittel ab kommenden Jahr erhöhen wird. Die Verstetigung des Regionalbahntakts auf der Frankenbahn ist auch für uns eine Herzensangelegenheit, deren Umsetzung wir eifrig verfolgen. Die Verstärkung des Ruftaxi-Angebotes im Raum Boxberg und Ahorn ist folgerichtig und hilfreich. Hoffentlich kann für das gute Angebot beim Ruftaxi bald wieder geworben werden, denn bei der Auslastung ist noch viel Luft nach oben. Dies gilt auch beim Jobticket. Nach der coronabedingten geringeren Auslastung des ÖPNVs gilt es, danach wieder verstärkt dafür zu werben. Gleichzeitig ist zu erwägen, ob kostenloses Parken auf landkreiseigenen Grund nicht kontraproduktiv ist.

In meiner letztjährigen Haushaltsrede steht der Satz „Die Mobilitätszentrale in Lauda ist seit Jahren ein Dauerthema“. Ohne Erfolg und Hoffnung kann ich mich da immer wieder selbst zitieren. Es ist ein Trauerspiel für die Bahnstadt Lauda, dass es für den Bahnknoten im Taubertal zu keiner Lösung kommt. Es ist nicht erkennbar, dass wir im Endspurt dieses Marathonlaufs sind. Plan B? Stochern im Nebel?

Radwegeverkehr und Radwegebau im Main-Tauber-Kreis: Ist das Glas halb voll oder halb leer? Halb stimmt auf jeden Fall. Bei den Plänen geht es voran. Bei der Umsetzung schon deutlich langsamer. Nicht nur beim Fünf-Sterne-Radweg gibt es deutliche Gefahrenpunkte zu beseitigen. Vor allem fehlt es aber beim Ausbau, um die Seitentäler und auch Höhen, bei E-Mobilität kein KO-Kriterium mehr, einzubinden. Dies ist sowohl für den Tourismus, als Fahrraddestination wichtig, aber auch für den Alltagsradler, also für Berufspendlerinnen und Berufspendler. Beispielsweise gibt es beim sanierten Berufsschulzentrum Bad Mergentheim nur wenige überdachte Zweiradparkplätze.

Die Aufstockung der Mittel für das Deckenprogramm ist richtig und wir tragen es folglich mit. In Zukunft wird uns vor allem die Sanierung der Brücken beschäftigen. Und dies nicht nur, weil diese in die Jahren gekommen sind, sondern weil auch der Verkehr der darüber rollt, deutlich schwerer wurde.

Sozialpolitik

Es war sehr hilfreich, dass der Sozialhaushalt, als größter Teilhaushalt, in diesem Jahr ausführlich auch im Verwaltungs- und Finanzausschuss vorgestellt wurde.

Dass die Eingliederungshilfe einen großen Sprung nach oben macht, überrascht nicht. Zum einen durch die neuen Wohnheime und Werkstätten, aber auch durch steigende Empfängerzahlen. Und vor allem durch die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes. Bei den Gesprächen der Fraktionsvorsitzenden mit den Vertretern der Wohlfahrtsverbände wurden diese Teilnehmer schon frühzeitig dafür sensibilisiert.

Auch die Jugendhilfeausgaben steigen, wenn auch weniger stark. Es ist zu befürchten, dass nach dem Abebben der Corona-Pandemie, hier mit noch mehr Mehrkosten zu rechnen sein wird. In diesem Bereich sind auch die Kosten für die Familienzentren etatisiert. Wir sind gespannt, zum einen, ob der Etat reichen wird, und zum anderen, welche Modelle in den Kommunen geplant und umgesetzt werden.

Die Erhöhung der Zuschüsse für die Beratungsstelle Frauen helfen Frauen halten wir für überfällig.

Beim Bedarf für die Hilfe zur Pflege wird mit einem großen Sprung nach oben gerechnet. Nicht nur, dass die Zahl der Hochbetagten zunimmt, sondern auch, dass die Pflegekosten steigen werden, kann nicht überraschen. Hier ist sicher auch der Bundesgesetzgeber gefragt.

Das Thema Geflüchtete ist eine große Unbekannte im neuen Etat. Das Land wird sicher zu seinem Wort stehen, diese Kosten ausgleichen. Aber die Umsetzung muss bei uns erfolgen. Jahrelang haben wir darauf gedrängt, dass die Unterkunft „Zwischen den Bächen“ in Bad Mergentheim endlich fertig wird. Gerade noch rechtzeitig wird dies jetzt geschehen. Glücklicherweise stehen auch in Tauberbischofsheim noch Gebäude zur Verfügung. Wichtig ist aber auch,  dass die Integration gelingt. Dabei sind die Helferkreise weiterhin sehr wichtig. Diese Menschen sind ehrenamtlich tätig und denken nicht unbedingt immer verwaltungsgemäß, dies ist bei den Verwaltungen zu berücksichtigen. In weiten Teilen ist die Integration gelungen. Anders verlaufene Einzelbeispiele sind zwar auch vorhanden, sollen aber nicht von den Erfolgen ablenken. Integrationsarbeit ist eine langjährige. Ein Lob an dieser Stelle an alle soll nicht fehlen.

Ein Schlaglicht fällt dabei auch auf die Wohnsituation. Sicher sind die Ballungszentren noch ganz anders gefordert. Aber bezahlbarer Wohnraum in angemessener Größe zu finden wird auch bei uns auf dem Land ein immer größeres Problem. Jahrelang wurde in Reihenhäuser und privaten Immobilienbau gedacht und investiert und damit einem Flächenfraß Vorschub geleistet. Der Geschoßwohnungsbau wurde dabei vernachlässigt. Sicher sind die Kommunen im Landkreis unterschiedlich betroffen, aber auf der Taubertalachse ist dies deutlich zu spüren. Der Landkreis ist fein raus, weil die Kommunen hier handeln müssen, aber über die Mitgliedschaft bei der Kreisbau kann durchaus Einfluss genommen werden.

Investitionen

Die Sanierung des Berufsschulzentrums Wertheim ist jetzt auf einen guten Weg. Hoffentlich bleiben unerfreuliche Überraschungen aus. Auch wenn es den Tauberbischofsheimern schwer fällt, die Sanierungen müssen nach und nach erfolgen.

Die Mehrausgaben für den Neubau der Straßenmeisterei in Külsheim sind hoffentlich die letzten, die wir beschließen müssen.

Das Moratorium in Bronnbach tragen wir mit und hoffen, dass die Neuausrichtung unserer teuersten Perle gelingt.

Tourismus

Der Inlandstourismus, da sind sich alle einig, wird in Zukunft einen größeren Stellenwert haben. Wir sind gut aufgestellt, vor allem mit unserem Fünf-Sterne-Radweg und zahlreichen gut ausgeschilderten Wanderwegen. Dies wird aber für die Zukunft nicht reichen. Der Mensch ist mobiler, da reicht der Taubertalweg und der Radachter nicht. Auch die Bio-Musterregion kann und sollte dabei eine herausragende Rolle spielen in unserer Weingegend. Der Wellness- und Gesundheitstourismus wird bei einer immer älter werdenden Bevölkerung zunehmen. Auch kulturell hat der Main-Tauber-Kreis viel zu bieten. Es reicht unserer Meinung nach aber nicht, nur auf die Zusammenarbeit mit den bayerischen Nachbarn zu setzen, vielmehr ist eine stärkere Zusammenarbeit mit unseren baden-württembergischen Nachbarlandkreisen zu forcieren. Auch um Mittel von der Landesregierung und den Fokus aus Stuttgart hierher zu lenken.

Personaletat

Diesen tragen wir mit, denn motivierte, gut aus- sowie fortgebildete und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind das höchste Pfund jeder Verwaltung. Wir freuen uns, dass auch bei der Verwaltungsspitze der weibliche Anteil höher ist als noch vor einem Jahr. Sehr bedauerlich nehmen wir aber zur Kenntnis, dass die Stelle einer bzw. eines Gleichstellungsbeauftragten unbesetzt ist. Wir hoffen sehr, dass sich dies bald ändert.

AWMT

Leider nochmals ein eigenes Zitat von mir vor einem Jahr: „Endlich soll 2021 ein Musterrecyclinghof … errichtet werden.“ Was bin ich doch gutgläubig. Nichts passiert. Wieder nicht. Dabei wäre dies doch so dringend, denn wie steht doch so treffend im Lagebericht der AWMT: „Auch im Jahr 2020 setzt sich der Trend zur Konsumfreudigkeit der Bürger fort. Besonders die Wertstoffe sowie der Erdaushub und der Bauschutt sind gegenüber dem Vorjahr stark gestiegen“. Dem kann man nicht widersprechen.

Der Mengenbezug bei den Gebühren müsste noch verstärkt werden, auch wenn dies nicht  einfach umzusetzen ist. Das Thema Windelkonzeption, auch wenn es gar nicht hierher gehört und trotzdem hier im Bericht steht, sollte weiter beobachtet und gegebenenfalls leicht angepasst werden.

Die Gebührenerhöhung tragen wir mit, um einen ausgeglichenen Gebührenhaushalt zu bekommen. Unsere Gebühren sind auch dann immer noch moderat. Oberstes Ziel muss ja die Vermeidung von Abfall sein. Dies muss noch mehr angestrebt werden.

Die Erweiterung der Deponiefläche steht bald ins Haus. Wir erwarten, dass der Kreistag frühzeitig mit einbezogen wird.

Corona

War leider auch 2021 für die Bevölkerung und die Verwaltung das beherrschende Thema. In solchen Ausnahmesituationen kann nicht alles 100-prozentig gut laufen. Die am stärksten Leidtragenden sind aber die Ärzteschaft und das Pflegepersonal. Wenn man etwas Positives dabei sehen will, ist es die Tatsache, dass das Thema Pflege in Zukunft einen anderen Platz in der Gesellschaft einnehmen wird. Hoffentlich. Die Tatsache, dass die Impfquote nicht höher liegt, ist erschreckend .

Perfide und unerhört ist es aber, wenn AfD und weitere Neonazis ohne Maske und Abstand durch Bad Mergentheim demonstrieren, wie letzten Sonntag geschehen, um gegen die „Impfdiktatur“ zu polemisieren, um dann noch ihre Referenz vor dem Caritas-Krankenhaus, letztlich also vor der Intensivstation, den Kranken, der Ärzteschaft und dem Pflegepersonal zu erweisen. Wir danken der Ärzteschaft und dem Pflegepersonal ausdrücklich für ihren unermüdlichen, aufopferungsbereiten Einsatz, gerade auch den Ungeimpften gegenüber und wünschen weiterhin starken Willen zum Durchhalten.

Finanzen

Vor einem Jahr waren wir noch der Meinung, dass als Zeichen der Solidarität der kommunalen Familie die Kreisumlage um einen Prozentpunkt gesenkt werden kann. Dies war richtig. Aber viele Kommunen kamen durchaus gut durch das abgelaufene Jahr, mit weit besseren Ergebnissen als prognostiziert. Die Hilfen von Bund und Land, sowie eine bessere Konjunktur als erwartet, haben dies ermöglicht. Die letzte Steuerschätzung Ende November haben sowohl dem Landkreis als auch den Kommunen Mehreinnahmen beschert. In Folge der zahlreichen, kostspieligen, aber auch notwendigen Investitionen steuern wir im Landkreis einer Rekordverschuldung zu. Diese Investitionen werden auch zu höheren Abschreibungen führen, die den Finanzhaushalt belasten werden. Aus diesem Grund wollten wir Grüne zum alten Umlagesatz von 30 v. H. zurückkehren. Leider ist die Mehrheit des Kreistags dem nicht gefolgt. Die Zusammenarbeit von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, inzwischen fast mehr ehemaligen als amtierenden, und Stadträtinnen und Stadträten ist einfach zu stark.

Wir stimmen dem Haushalt zu, trotz dieser Niederlage bei der Kreisumlage, weil wir erfreuliche Signale bei der Klimaschutzpolitik sehen. Wir sind überzeugt, die Hoffnung stirbt bekanntermaßen zuletzt, hier nicht nur Papiertigern zuzustimmen.

Zum guten Schluss

Ich möchte mich, auch im Namen der gesamten Grünen-Fraktion für die gute Zusammenarbeit mit Ihnen Herr Landrat Schauder, es ist ja Ihr erster Haushalt im neuen Amt, bedanken. Dies gilt gleichermaßen für alle neuen und langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung. Die bewährte Zusammenarbeit auf der Ebene der Fraktionsvorsitzenden wird zwar manchmal argwöhnisch betrachtet, aber wir bereiten ja nur demokratische Entscheidungen vor. Dies ist durchaus hilfreich. Das insgesamt angenehme Klima, bei aller sachlichen Auseinandersetzung, nützt den gesamten Landkreis. Ich kann mir vorstellen, dass das Klima in Zukunft noch besser werden wird.

Vielen Dank, Ihnen allen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und allen Anwesenden wünschen wir alles Gute für ein zufriedenes, glückliches und gesundes Jahr 2022.

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