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24.11.2021

Ausbildungsmarktbilanz Heilbronn-Franken

Der Ausbildungsmarkt ist auch in diesem Jahr stark von den Folgen der Pandemie sowie von strukturellen Veränderungen geprägt. Für alle Beteiligten war der Start in das neue Ausbildungsjahr ein besonderer Kraftakt, so manch junger Mensch hat die Berufswahl verschoben.

In der Folge gingen die Bewerberzahlen zurück. Im Berichtsjahr 2020/2021 waren bei den Arbeitsagenturen Heilbronn und Schwäbisch Hall-Tauberbischofsheim 4555 Bewerberinnen und Bewerber gemeldet, das sind 563 weniger als vor einem Jahr. Dazu Manfred Grab, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Heilbronn: „Die Ursachen für den weiteren Rückgang an Bewerberinnen und Bewerber sind vielfältig und haben nicht nur demographische Gründe. So hatten es viele Jugendliche aufgrund der Corona-Pandemie schwerer, sich um eine Ausbildung zu kümmern. Zahlreiche Maßnahmen zur Berufsorientierung aber auch betriebliche Praktika waren schlichtweg nicht möglich. Auch wurden virtuelle Ausbildungsmessen nicht in dem Umfang genutzt, wie wir es uns gewünscht hätten. Wir sehen, dass der persönliche Kontakt zur Berufsberatung aber auch zu den Betrieben durch digitale Alternativen nicht vollständig ersetzt werden kann.“

Mit den Lockerungen hat sich die Lage auf dem Ausbildungsmarkt wieder etwas aufgehellt. Die Berufsberaterinnen und Berufsberater konnten wieder Beratungsgespräche an Schulen und in den Arbeitsagenturen anbieten. Ausbildungssuchende und Betriebe konnten durch die Öffnungsschritte wieder zusammenkommen. Trotzdem blieben 92 Jugendliche zum 30. September unversorgt, das waren 14 mehr als im letzten Jahr. Die Nachvermittlung in den Arbeitsagenturen läuft weiter. Solange der Beginn einer Ausbildung noch erfolgsversprechend ist, stimmen die Kammern einem verspäteten Ausbildungsstart in der Regel zu.

Bei Unternehmen, die vom Lockdown besonders betroffen waren, beispielsweise Friseurgeschäfte, Hotels und Gaststätten ist der Rückgang der Ausbildungsangebote besonders sichtbar. Insgesamt waren bei den Arbeitsagenturen 7961 Berufsausbildungsstellen gemeldet, 402 weniger als vor einem Jahr. „Viele Unternehmen halten aber trotz der widrigen Rahmenbedingungen an der Ausbildung fest, weil sie genau wissen, dass ihnen sonst nach Corona die Fachkräfte fehlen werden“, erklärt Elisabeth Giesen, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Schwäbisch Hall-Tauberbischofsheim. 889 Ausbildungsstellen konnten nicht besetzt werden, das waren 157 mehr als im Vorjahr. In vielen Berufen, in denen es am Arbeitsmarkt Engpässe gibt, konnten überdurchschnittlich viele Ausbildungsstellen nicht besetzt werden. Dazu zählen Lebensmittelberufe, Bauberufe, Kraftfahrerberufe oder auch Metallberufe. Unversorgte Bewerberinnen und Bewerber auf der einen und unbesetzte Stellen auf der anderen Seite zeigen, dass Angebot und Nachfrage nicht immer zusammenpassen. „Wichtig ist an dieser Stelle eine hohe Vernetzung zwischen Schule, Wirtschaft und Berufsberatung. Außerdem haben wir mit der Assistierten Ausbildung ein hervorragendes Instrument, um den erfolgreichen Abschluss einer Berufsausbildung zu unterstützen“, erklärt Elisabeth Giesen. Wenn sich im Bewerbungsverfahren herausstellt, dass nicht alle Anforderungen erfüllt sind, kann die Assistierte Ausbildung gleich zu Anfang Lücken schließen. Ergeben sich während der Ausbildung Probleme, kann sie einen drohenden Ausbildungsabbruch abwenden.

Ralf Schnörr, Hauptgeschäftsführer HWK Heilbronn-Franken

Wir haben aktuell mit 1662 neueingetragenen Ausbildungsverhältnissen im Jahr 2021 nur ein kleines Minus von 0,6 Prozent. Wir gehen davon aus, bis zum Jahresende die Vorjahreszahlen zu erreichen. Auch im ersten Coronajahr 2020 ist das Handwerk der Region Heilbronn-Franken mit einem Minus von nur 3,7 Prozent recht glimpflich aus der Krisenzeit hervorgegangen. Viele haben erkannt, dass das Handwerk gerade auch in einer Krise ein stabiler Wirtschaftsbereich ist, der immer und vor allem vor Ort gebraucht wird. Einige Jugendliche haben sogar von der Industrie auf das Handwerk umgesattelt, da dort Personal abgebaut wurde und Kurzarbeit anstand. Schaut man die letzten zehn Jahre bei den Neueintragungen an, so stellt man allerdings einen stetigen Rückgang fest. Der Nachwuchs im Handwerk ist in diesem Zeitraum um gut 15 Prozent zurückgegangen.

Die demographische Entwicklung bildet sich deutlich ab. Bei den Neueintragungen kommen inzwischen 6,8 Prozent der Auszubildenden aus Asylherkunftsländern. Das Handwerk ist daher weiterhin offen für eine koordinierte Zuwanderung und bereit, alle junge Menschen jeglicher Herkunft auszubilden. Getreu unserem Motto: Im Handwerk zählt nicht, wo man herkommt, sondern wo man hinwill. Das ist wichtig. Denn das Angebot an unbesetzten Lehrstellen im Handwerk übersteigt die Nachfrage der Bewerberinnen und Bewerber.

Nach dem ersten Coronajahr 2020 litt auch der Beginnerjahrgang 2021 an der eingeschränkten Berufsorientierung. Es konnten nur wenige Berufsorientierungsmaßnahmen stattfinden und viele Veranstaltungen und Messen fielen aus. Bewerberinnen und Bewerber sowie Betriebe hatten es folglich besonders schwer, zueinander zu finden. Daher ist es eine tolle Leistung der Handwerksunternehmen, dass es bei den neu eingetragenen Ausbildungsverhältnissen keine großen Einbrüche gibt und die Zahlen im Jahr 2021 stabil sind.

Elke Döring, Hauptgeschäftsführerin IHK Heilbronn-Franken

Bis Ende Oktober 2021 wurden 3713 neu eingetragene Ausbildungsverhältnisse bei der IHK Heilbronn-Franken registriert; das entspricht einem Minus von 1,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Nach wie vor stellt der Fachkräftemangel für unsere Betriebe ein großes Geschäftsrisiko dar. Der beste Weg, um dem Fachkräftemangel zu begegnen, ist die betriebliche Ausbildung von Nachwuchs im eigenen Unternehmen. Hier sind viele Unternehmen bereits aktiv und gehen diesen Weg. Allerdings sind aktuell die Unternehmen, die mit Corona-bedingten Einschränkungen zu kämpfen haben, zurückhaltender was die Anbahnung von Ausbildungsverhältnissen betrifft. Sehr problematisch war außerdem, dass aufgrund der anhaltenden Pandemie kaum Berufsorientierung an Schulen und auf Bildungsmessen in Präsenz möglich war. Hier konnten digitale Formate nur bedingt die Lücke füllen.

Die Chancen für eine betriebliche Ausbildung sind aktuell für die Bewerber sehr gut. So gibt es zum einen auch jetzt noch unbesetzte Ausbildungsstellen für das begonnene Ausbildungsjahr. Und auch für das neue Ausbildungsjahr haben die Unternehmen bereits zahlreiche Ausbildungsplätze bereitgestellt, für die motivierte Bewerber gesucht werden. Die IHK Heilbronn-Franken steht ihren Mitgliedsunternehmen mit umfangreichen Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen zur Seite, wenn es um die Sicherung des Ausbildungsnachwuchses geht. Dazu gehören beispielsweise die Ausbildungsberatung sowie die Gewährleistung der Durchführung der Aus- und Weiterbildungsprüfungen unter strengen Hygieneauflagen.

Silke Ortwein, DGB-Gewerkschaftssekretärin Main-Tauber-Kreis, Stadt- und Landkreis Heilbronn

Der Wegfall von Ausbildungsstellen nicht nur in den vom Corona-Lockdown besonders betroffenen Branchen ist problematisch. Die letztjährigen Abgangsklassen konnten nur teilweise mit einem Ausbildungsangebot erreicht werden. Zwar haben von den zunächst unversorgten einige Schülerinnen und Schüler die Zeit für die Verbesserung ihrer schulischen Ausbildung genutzt aber viele sind auch einfach „unterm Radar“ verschwunden. Sie besuchen keine Schule mehr und ihr Verbleib ist unklar. Weder sind sie als Studierende noch als Auszubildende eingemündet noch haben sie sich bei den Agenturen gemeldet. Leider liegt die Vermutung nahe, dass vielen dieser Jugendlichen die Einmündung in den Arbeitsmarkt nur verzögert und im schlimmsten Fall gar nicht gelingen wird. Eine wichtige Gegenmaßnahme sind verstärkte Bemühungen aller Beteiligten: Den Schulen, den Betrieben, den Agenturen für Arbeit insbesondere auch der JUBA aber auch den Ausbildungsbetrieben. Auch die Kammern tragen im Bereich der passgenauen Vermittlung zur Problemlösung bei. Es gilt weiterhin: Niemand darf verlorengehen – denn jede(r) Auszubildende von heute ist eine Fachkraft von morgen.

Jörg Ernstberger, Geschäftsführer Südwestmetall Heilbronn Region Franken

Die Corona-Pandemie hat weiterhin einen negativen Einfluss auf den regionalen Ausbildungsmarkt der Metall- und Elektroindustrie. Lediglich 17 Prozent der Mitgliedsunternehmen haben ein Plus an Auszubildenden zu verzeichnen, 40 Prozent bilden weniger als im Vorjahr aus. Das, obwohl das Ausbildungsangebot bei 96 Prozent der befragten Unternehmen gleich oder sogar größer geworden ist. Ein drastischer Einbruch ist bei den Bewerberzahlen zu verzeichnen. So haben 87 Prozent der befragten Mitgliedsunternehmen weniger Bewerbungen erhalten. Dies liegt sicherlich zum einen an fehlenden/stark eingeschränkten Bildungsmessen und zum anderen an Corona-bedingten Ausfällen von Netzwerktreffen zwischen Schulen und Firmen bzw. mangelnden Praktika.

Positiv zu vermerken ist, dass die Übernahmequote nicht durch die Pandemie beeinflusst wird. Über 80 Prozent der Mitgliedsunternehmen wollen ihre Auszubildenden nach Abschluss weiterhin beschäftigen. Dies ist als klares Bekenntnis zum Produktionsstandort Heilbronn-Franken zu bewerten. Allgemein ist zu erkennen, dass viele Jugendliche infolge von Corona und der konjunkturellen Situation in der Metall- und Elektroindustrie noch unentschlossen sind und daher noch viele Ausbildungsplätze für das Jahr 2022 nicht belegt werden konnten.

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