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15.02.2022

Betreuungsrecht grundlegend reformiert - Bedarf an Ehrenamtlichen

Durch die Zunahme von komplexen Betreuungsfällen und Veränderungen in den Familienstrukturen besteht bei der Betreuungsbehörde des Landratsamtes Main-Tauber-Kreis ein erhöhter Bedarf an Berufsbetreuern sowie auch ehrenamtlichen Betreuern, die keine familiäre oder persönliche Bindung zum Betroffenen haben. Interessierte an dieser verantwortungsvollen Aufgabe können sich direkt an die Betreuungsbehörde wenden.

„In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Anteil der Betreuungen, die beruflich geführt werden, von 30 Prozent auf 50 Prozent erhöht. Das heißt allerdings auch, dass sich die ehrenamtlich geführten Betreuungen von 70 Prozent auf 50 Prozent verringert haben“, erklärt Gesundheits- und Sozialdezernentin Elisabeth Krug den Bedarf.

Weitere Informationen bei Interesse an der Tätigkeit gibt es bei der Betreuungsbehörde des Landratsamtes Main-Tauber-Kreis, Joachim Fischer, Telefonnummer 09341/82-5565, oder Benedikt Schenk, Telefonnummer 09341/82-5589.

Hinzu kommen gesetzliche Änderungen, die ebenfalls für steigenden Bedarf an weiteren Betreuerinnen und Betreuern sorgen. Das Betreuungsrecht wurde in der vergangenen Zeit grundlegend reformiert. Mittlerweile ist dieser Prozess abgeschlossen. Das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 4. Mai 2021 ist verabschiedet und wird am 1. Januar 2023 in Kraft treten. Richtschnur der Betreuerinnen und Betreuer sowie Richterinnen und Richter sollen künftig die Wünsche der rechtlich Betreuten sein. Bisher galt hierfür ein allgemeines und eingeschätztes Wohl der Betreuten. Im Rahmen dieser Betreuungsreform wird unter anderem auch das bisherige Betreuungsbehördengesetz durch ein neues Betreuungsorganisationsgesetz abgelöst. Hier geht es vor allem um die Qualität in der rechtlichen Betreuung.

Neue Bestimmungen für Berufsbetreuerinnen und -betreuer ab 01. Januar 2023

Berufsbetreuerinnen und -betreuer müssen sich ab 1. Januar 2023 bei einer Betreuungsbehörde registrieren lassen, um in diesem Beruf arbeiten zu können. Mit der Registrierung müssen sie unter anderem belegen, dass sie Kenntnisse im Betreuungs- und im Sozialrecht haben oder wissen, wie mit Personen mit Erkrankungen und Behinderungen kommuniziert werden kann. Der Nachweis kann beispielsweise mit Vorlage eines Sachkundenachweises erbracht werden.

Ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer sollen oder können vor ihrer Bestellung zur rechtlichen Betreuerin oder zum rechtlichen Betreuer eine Anbindungserklärung zu einem Betreuungsverein abgeben. Darin steht beispielsweise, dass der Betreuungsverein sie bei Fragen berät und sie regelmäßig fortbilden soll, damit sie über Neuerungen im Betreuungs- oder Sozialrecht informiert sind. Zudem müssen ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer künftig vor ihrer erstmaligen Bestellung der zuständigen Betreuungsbehörde ein polizeiliches Führungszeugnis und eine Auskunft aus dem zentralen Schuldnerverzeichnis vorlegen.

Betreuungsrecht besteht bereits seit 30 Jahren

Um das Betreuungsrecht grundlegend zu modernisieren, wurden in den Jahren 2015 bis 2017 im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) zwei Forschungsvorhaben durchgeführt. Sie befassten sich mit der Qualität in der rechtlichen Betreuung und der Umsetzung des Erforderlichkeitsgrundsatzes. Beide Forschungsvorhaben haben gezeigt, dass das Gebot größtmöglicher Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen im Sinne von Artikel 12 des Übereinkommens der Vereinten Nationen im Vorfeld und innerhalb der rechtlichen Betreuung nicht durchgängig zufriedenstellend verwirklicht ist. Zudem gibt es Qualitätsmängel bei der praktischen Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben, die auch Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen erforderlich machen.

Die Entwicklung des Betreuungsrechts nahm vor 30 Jahren ihren Anfang. Am 1. Januar 1992 trat das „Gesetz zur Reform des Rechtes der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige“ in Kraft. Mit diesem Betreuungsgesetz wurde das gesamte Vormundschaftsrecht reformiert. Es stammt in weiten Teilen aus der Entstehungszeit des Bürgerlichen Gesetzbuches, also aus dem Jahr 1896. Darin waren detaillierte Regelungen zur Vermögenssorge des Vormunds enthalten, die allerdings weithin die Verhältnisse um das Jahr 1900 abbildeten, und darüber hinaus nur wenige Regelungen zur Personensorge.

Durch zahlreiche Ergänzungen und Änderungen ist das Vormundschaftsrecht unübersichtlich geworden, eine Reform war zwingend erforderlich. In den folgenden Jahren wurde von den Akteuren des Betreuungsrechts (Betreuungsgericht, -behörde und -verein) versucht, das neue Betreuungsgesetz umzusetzen. Es wurde allerdings schnell deutlich, dass die Bezeichnung Betreuung in der Bevölkerung missverstanden wurde. Es wurde sehr oft tatsächliche Betreuung erwartet, obwohl das Gesetz rechtliche Betreuung meinte. Aus diesem Grund wurde das Betreuungsgesetz zum 1. Januar 1999 erstmals geändert und um das Wort rechtliche Betreuung ergänzt.

Das zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetz trat zum 1. Juli 2005 in Kraft. Damit wurde das Betreuungsrecht erneut geändert, da es auf Grund übermäßig gestiegener Betreuungsfallzahlen in seiner praktischen Umsetzung die Erwartungen in wesentlichen Bereichen nicht erfüllen konnte.

Mit diesem Änderungsgesetz wurden zwei wichtige Eckpfeiler installiert, die bis heute die Betreuungszahlen im Main-Tauber-Kreis nicht übermäßig ansteigen ließen. Zum einen wurde den Betreuungsbehörden eine Beglaubigungskompetenz für Vorsorgevollmachten übertragen und zum anderen wurde der Erforderlichkeitsgrundsatz im Gesetz aufgenommen.

Im November 2017 konnte im Main-Tauber-Kreis bereits die 10.000. Vorsorgevollmacht erteilt und öffentlich beglaubigt werden. Grundlage hierfür ist die gute Zusammenarbeit zwischen der Betreuungsbehörde und dem Betreuungsverein der Lebenshilfe, der regelmäßig über Vorsorgevollmachten informiert und bei der Erstellung berät.

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