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18.10.2022

Landschaftspflegetag Baden-Württemberg thematisiert Beweidung und Pflege

Um die extensive Beweidung von Kalkmagerrasen und die Pflege dieser seltenen Ökosysteme ging es vor kurzem beim baden-württembergischen Landschaftspflegetag. Dieser fand im Main-Tauber-Kreis statt. Auch im Taubertal gibt es naturkundliche Besonderheiten wie extensive Kalkmagerrasen, Trockenmauern und Lesesteinriegel zu sehen. Sie sind beispielsweise in Werbach im geplanten Naturschutzgebiet Limbachsleiten, im Naturschutzgebiet Wormental und am Hirschberg zu finden.

Fast 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Baden-Württemberg, die sich beruflich oder ehrenamtlich mit Naturschutz beschäftigen, nahmen an der Veranstaltung teil. Eingeladen hatten die Akademie Ländlicher Raum Baden-Württemberg, die Koordinierungsstelle der Landschaftserhaltungsverbände Baden-Württemberg bei der Landesanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und Ländlichen Raum, das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg sowie das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg. Als Kooperationspartner übernahm der Kommunale Landschaftspflegeverband Main-Tauber e.V. (KLPV) unter Leitung von Geschäftsführer Lorenz Flad den regionalen Teil der Veranstaltung.

Das Programm startete am Vormittag mit Vorträgen in der Külsheimer Festhalle. Bürgermeister Thomas Schreglmann stellte die Brunnenstadt Külsheim mit ihren Sehenswürdigkeiten und der umgebenden Natur als attraktiven Wohn-, Wirtschafts- und Urlaubsort vor. Erster Landesbeamter Florian Busch hob die Bedeutung des Landschaftsschutzes und insbesondere die Arbeit des KLPV hervor.

Lobende, aber auch nachdenkliche Worte fand Ministerialdirektor Dr. Michael Münter vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft. „Der Main-Tauber-Kreis verfügt über einen unglaublichen Schatz abwechslungsreicher Lebensräume. Aber vielfältige Landschaft ist nicht einfach da, sie muss auch gepflegt werden“, sagte Münter. „Dabei sind Landnutzung und Artenvielfalt eng miteinander verbunden“, erläuterte Münter und ergänzte, dass „Naturschutz und Nutzungskonzepte sich für die Bewirtschaftenden rentieren müssen“.

Als wertvolles Instrument nannte der Ministerialdirektor das 2020 verabschiedete Biodiversitätsstärkungsgesetz, welches zusammen mit dem Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz erarbeitet wurde. Besondere Eckpunkte des baden-württembergischen Gesetzes sind beispielsweise die Ziele, die Artenvielfalt zu erhalten, den Biotopverbund auszubauen und den Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel zu reduzieren. Dieses bundesweit einmalige Gesetz trage maßgeblich dazu bei, dass aktuell 250 Gemeinden in Baden-Württemberg ein Biotopverbundsystem umsetzen. Im Main-Tauber-Kreis stehen sieben von 18 Planungen kurz vor dem Abschluss.

„Die Ministerien und die Landesregierung sind jedoch nicht beim Biodiversitätsstärkungsgesetz stehen geblieben“, berichtete Münter. Zukünftig würden die Akteurinnen und Akteure aus Landwirtschaft, Naturschutz, Handel, Politik und Gesellschaft zusammengebracht, um gemeinsam die Zukunft der Landwirtschaft zu gestalten. Dazu wurde im Juli 2022 der Strategiedialog Landwirtschaft (SDL) ins Leben gerufen – als Plattform zur Vernetzung, zum Austausch und zum gemeinsamen Arbeiten an Lösungsansätzen. Das Ziel sei es, die kleinstrukturierte, bäuerliche Landwirtschaft zu erhalten und die biologische Vielfalt in der Kulturlandschaft zu stärken. Auch die Verbraucherinnen und Verbraucher würden mit eingebunden. Es sei ein Versuch, das Bewusstsein für heimische Landwirtschaft zu stärken und regionale Produkte zu fairen Preisen vermarkten zu können.

Aktuelle, wissenschaftliche Ergebnisse aus Offenhaltungsversuchen auf der Schwäbischen Alb und im Schwarzwald stellte Dr. Josef Simmel vom Büro für Botanik und Mykologie in Bad Abbach vor. Inzwischen könne das Büro auf 47 Jahre Erfahrung zurückblicken, in denen die Flächen durch Mähen, Mulchen, kontrolliertes Brennen (Abflammen) oder Beweidung gehölzfrei gehalten wurden. Untersucht wurden beispielsweise die Artenzahlen der Gefäßpflanzen und die Entwicklung der Dauerflächen. Auch der Stabilitätsindex (Turnover-Rate) wurde ermittelt, indem man nach 50 Jahren die noch vorhandenen Pflanzenarten kartierte.

Als wichtigstes Ergebnis nannte Simmel, dass sich die Vegetation auf den beweideten Magerrasen im Verlauf von 47 Jahren nicht wesentlich verändert hat. Die meisten Pflanzenarten seien bemerkenswert stabil. Wichtig bei der Offenhaltung sei die Fortführung der Landnutzung durch Beweidung, notfalls auch durch Mähen mit Abräumen oder Mulchen.

Den Abschluss der Vortragsreihe bildeten zwei Referate von Lorenz Flad, Agrarbiologe und Geschäftsführer des KLPV. Flad stellte die Natura-2000-Kulisse und die Arbeit des KLPV im Main-Tauber-Kreis vor. Sieben Fauna-Flora-Habitat-Gebiete (FFH) und zwei Vogelschutzgebiete befinden sich im Taubertal und seinen Seitentälern. Besonders einzigartig seien die sonnenexponierten Hanglagen der Muschelkalktäler mit ihren Kalkmagerrasen, Wacholderheiden, Kalkfelsen, Steinriegeln und als magere Mähwiesen die bunten Salbei-Glatthaferwiesen. Seltene Pflanzenarten wie das Wimper-Perlgras (Melica ciliata) und Tierarten wie die Italienische Schönschrecke (Calliptamus italicus) seien hier noch in stabilen Gemeinschaften zu finden. Flad zeigte, wie im Main-Tauber-Kreis artenarme Flächen durch gezielte Pflege und Beweidung wieder in offene, artenreiche Lebensräume überführt werden.

Mit dem Bus ging es nachmittags zur Exkursion nach Werbach, wo die Gruppe von Bürgermeister Ottmar Dürr empfangen wurde. Die dreistündige Fußwanderung startete am Sportplatz und ging zunächst in das geplante Naturschutzgebiet Limbachsleiten. Beispielhaft wurden dort verbuschte, artenarme Flächen gezeigt, die seit Jahren nicht mehr bewirtschaftet und erstmalig ins Pflegeprogramm des KLPV aufgenommen wurden. Schlehen, Brombeeren, Hartriegel und Rosen bilden ein undurchdringliches Gestrüpp, durchsetzt von viel zu dichten Schwarzkiefern. Lorenz Flad berichtete über die Erstpflege solcher Gebiete und über die Schwierigkeiten, Anforderungen und Ziele, aber auch Erfolge der Pflegemaßnahmen.

Über das Naturschutzgebiet Wormental ging es weiter zum Hirschberg, immer unterbrochen von Zwischenstopps mit Hinweisen zu besonderen Landschaftselementen, Pflegemaßnahmen oder Flora und Fauna.

Wie die Beweidung in der Praxis aussieht und welche Anforderungen eine Koppelhaltung an Tiere und Tierhalter stellt, berichtete Schäfermeisterin Petra Schuck am vorletzten Zwischenstopp im Pflegegebiet Hirschberg. Seit 2010 beweidet Schuck eigene Flächen und zahlreiche Flurstücke im Auftrag des KLPV. Von Lauda-Königshofen über Grünsfeld und Tauberbischofsheim bis Werbach ist sie zu Fuß oder seltener per Transporter mit ihren Tieren unterwegs. Je nach Wiesenaufwuchs weiden die Tiere ein bis mehrere Tage auf den Flächen, eingezäunt durch mobile Elektrozäune.

„Mit der Beweidung lasse sich kein Gewinn machen“, bestätigten ihr auch andere Weidetierhalterinnen und -halter. Man habe viel Arbeit, wenige freie Tage und müsse sich darüber hinaus um Anrufe aus der Bevölkerung kümmern. Jede Tierart stelle besondere Ansprüche an die Koppel und zeige Vorlieben für Futterpflanzen, Gebüsche, Schatten- und Liegeplätze. Das alles in Zeiten des Klimawandels zu berücksichtigen und die Weideoptimierung aus floristischer und faunistischer Sicht im Blick zu behalten, sei nicht immer einfach. Dafür brauche es eine gehörige Portion Leidenschaft und den regelmäßigen Austausch mit dem Landschaftspflegeverband und der Unteren Naturschutzbehörde.

Was sich die zahlreichen Rinder- und Schafhalterinnen und -halter seitens der Bürgerinnen und Bürger wünschten, seien eine größere Wertschätzung und Akzeptanz der Weidetierhaltung und die Bereitschaft, faire Preise für regionale Produkte zu bezahlen. Die Tierhaltung sei nicht nur Leidenschaft und Hobby, sondern ein Beruf, der sich rentieren müsse. Man fühle sich manchmal als Bittsteller, da man ohne Zuschüsse der Landesregierung und nur durch den Verkauf von Produkten aus der Tierhaltung nicht überleben könne. Ohne Weidetiere müssten nicht nur im Main-Tauber-Kreis hohe Summen für eine maschinelle Pflege der ökologisch wertvollen Voll- und Halbtrockenrasen ausgegeben werden. Weidetiere wie Schafe, Dexter-Rinder, Zebus, Hochlandrinder oder Ziegen sind wertvolle Landschaftspfleger, die bisher weit unter dem ökologischen Wert für die Region grasen.

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