Vorlesen
Seiteninhalt

Ausbildung Vermessungstechniker - "Erfahrungsbericht"

Präzision ist gefragt, wenn Sebastian Streck sein Handwerkszeug zusammenpackt und ins Gelände geht. Der Auszubildende strebt den Berufdes Vermessungstechnikers an. Aufnahmepunkt, Versicherungspunkte, Stabreflektor oder Grenzbolzen sind dabei nur eine kleine Auswahl an Begriffen, die die Arbeit im Vermessungs- und Flurneuordnungsamt bestimmen. Die „MAZ ab“ begleitete einen Tag lang ein Vermessungsteam mit dem Auszubildenden Sebastian Streck bei einer Gebäudeeinmessung in Bad Mergentheim.

Bereits am frühen Morgen machen sich die Arbeiter und Auszubildenden des Vermessungs- und Flurneuordnungsamtes auf den Weg. Heute geht es in das Berufliche Schulzentrum nach Bad Mergentheim. Mit allerlei Hilfsmitteln und technischem Gerät wird der orangefarbene Kleinbus beladen, der das Team zum Einsatzort bringt. „Ein Team besteht grundsätzlich aus einem Vermessungstechniker und ein bis zwei Helfern, die den Techniker bei seiner Arbeit unterstützen“, erklärt Christoph Olkus, an diesem Tag als Vermessungsleiter für korrekte Messergebnisse verantwortlich. Mit seiner Allwetterjacke, der blauen Schildmütze und in Jeans macht er einen sehr dynamischen Eindruck. Auf der Fahrt zum Einsatzort beginnt der erste Regenschauer. Am Ziel angekommen, erklärt der Vermessungsleiter dem Auszubildenden Sebastian Streck die geplante Vorgehensweise.

Bevor die Baustelle der neuen Werkstatt für das Berufliche Schulzentrum betreten wird, werden noch die vorgeschriebenen knallorangenen Warnwesten mit reflektierenden Streifen verteilt. Dass die Warnwesten auch auf einem eingezäunten Gelände wie diesem getragen werden müssen, erklärt Sebastian damit, dass es vertrauenswürdiger aussieht, wenn das ganze Team einheitlich gekleidet ist. Die Anwohner sollen den Eindruck vermittelt bekommen, dass hier nichts Illegales gemacht wird. Zwischenzeitlich wurde aus dem Regenschauer leichter Nieselregen. „An das bisschen Regen gewöhnt man sich schnell. Wir sind ja bei jedem Wetter draußen“, berichtet Sebastian. Über seinem schwarzen Fleecepullover trägt der junge Mann im zweiten Lehrjahr eine dicke Regenjacke, darüber die Warnweste. Seine blaue Jeans und die Sicherheitsschuhe sind schon von einigen Einsätzen in der Natur gekennzeichnet.

 

Die gemessenen Daten werden in den regenfeuchten Lageplan eingetragen.
Die gemessenen Daten werden in den regenfeuchten Lageplan eingetragen.

Gegen 8.15 Uhr machen sich die Arbeiter vom Parkplatz an der Seegartenstraße zur 50 Meter entfernten Baustelle auf, um das Gebäude auszumessen. Mit einem 30 Meter langen Maßband wird jede Gebäudewand in der Länge ausgemessen und in den Lageplan übertragen. Durch den immer wieder einsetzenden Regen hat Sebastian erhebliche Probleme, die Daten in den Plan einzutragen. Der Lageplan wellt sich, an den zu nassen Stellen verläuft die Tinte. Er versucht, den Plan vor dem Regen zu schützen und unter dem hervorstehenden Dach des Gebäudes Zuflucht zu suchen, aber es gelingt ihm nicht immer.

Der künftige Werkstattbau sowie die Außenanlage gleichen noch einer großen Baustelle. Im Außenbereich müssen die Vermesser im unwegsamen Gelände mit knöcheltiefen Pfützen kämpfen. Zusätzlich ragen an den Außenwänden verschiedene Stromkabel heraus, über die man bei einer kleinen Unachtsamkeit stolpern kann. Als nach einer Dreiviertelstunde alle Gebäudewände mit den unterschiedlichen Eckpunkten in den nun schon sichtlich mitgenommenen, welligen Vermessungsplan aufgenommen sind, wird eine Frühstückspause eingelegt.

Nun erzählt der Auszubildende, was ihn dazu bewegt hat, diesen Beruf zu erlernen. „Die Aufgaben sind verschieden und reichen von einer Gebäudeeinmessung wie heute bis hin zu  Grundstückszerlegungen,bei denen zum Beispiel aus einem Grundstück zwei kleinere gemacht werden“, berichtet Sebastian. Ein weiterer Grund für ihn, diese Ausbildung einzuschlagen, war, dass man immer wieder Abwechslung hat, mit den neuesten technischen Geräten arbeiten kann und nie jeder Tag gleich abläuft. Wer sich für die Ausbildung zum Vermessungstechniker interessiert, sollte mathematische Kenntnisse, logisches Denken und einen guten Orientierungssinn mitbringen. Sein bisher kuriosestes Erlebnis hatte Sebastian in einem kleinen Dorf. „Ich habe die einzige Schaufel bei einem Außeneinsatz kaputt gemacht, und weil wir die Schaufel noch benötigten, mussten wir zu einem pensionierten Schmied im Dorf fahren, der uns diese wieder gerichtet hat“, erzählt Sebastian.

Nach der Pause ist der nächste Arbeitsschritt der Gebäudeeinmessung an der Reihe. Die Gebäudeeinmessung erfasst den endgültigen Grundriss eines neu errichteten Gebäudes. Sie dient dazu, das Liegenschaftskataster fortzuführen. Mit dem Messgerät werden verschiedene Eckpunkte des Gebäudes angepeilt und markiert. Diese Punkte sind mit den Koordinaten verknüpft und werden später benötigt, um das Gebäude in eine Karte zu übertragen. Die Stationierung der Messanlage ist enorm aufwendig. Neben dem Messgerät müssen das Stativ, ein Feldrechner, in den die Messdaten gespeichert werden, vier Stabreflektoren und mehrere Pylonen, dank denen sich die Stabreflektoren besser erkennen lassen, zur Messstelle gebracht werden. „Oft muss man ein paar Mal zum Bus laufen, um die Gerätschaften zu holen, da kommt man schnell ins Schwitzen“, stöhnt der Auszubildende unter der Last von Stativ und Messgerät.

Die Arbeit als Vermessungstechniker erfordert hohe Genauigkeit
Die Arbeit als Vermessungstechniker erfordert hohe Genauigkeit

Höchste Konzentration herrscht beim Ausrichten des Stativs. „Dieses muss in der Waage stehen, um die genauen Messwerte zu ermitteln“, betont Vermessungsleiter Christoph Olkus und kontrolliertnoch einmal, ob die Einstellungen am Gerät richtig vorgenommen wurden. Als das Messgerät genau justiert ist und die übrigen Geräte stehen, wird noch ein Regenschirm aufgestellt, um die teuren Geräte vor dem nun stärker einsetzenden Regen zu schützen. Zusätzlich werden noch die Stabreflektoren in verschiedenen Himmelsrichtungen aufgestellt, wobei einer der Reflektoren als Hilfsziel dient. Um die Messung abschließend im Computer speichern zu können, muss auf die Mitte dieses Hilfsziels gezielt werden. Dabei ist nur eine geringe Abweichung zugelassen, da sonst die zuvor gemessenen Daten automatisch gelöscht werden. Nachdem alles fertig ist, blickt Sebastian sichtlich nervös und mit zitternder Hand durch das Messgerät und richtet den Laserstrahl genau in die Mitte des Prismas, das sich auf dem Stabreflektor befindet. „Ärger gibt es zwar nur selten, aber ich will ja auch, dass die Messungen nicht noch einmal durchgeführt werden müssen“, erklärt er angespannt. Nachdem die Punkte auf der einen Seite des Gebäudes gesetzt sind, muss die Messstation in eine neue Position gebracht werden, um auch den anderen Gebäudeteil einzumessen. Zwischenzeitlich wird der Regen noch stärker, Wind kommt auf. Trotz der Regenjacken und des festen Schuhwerks dauert es nicht lange, bis sich die Kälte in den Schuhen ausbreitet und die Zehen langsam steif werden.

Die Aufnahme des Gebäudes durch die Punktemarkierungen geht weiter. Der Vermessungshelfer Herbert Häfner läuft mit dem Stabreflektor an den jeweiligen Eckpunkt des Gebäudes und wartet, bis der Auszubildende Sebastian mit dem Messgerät den Laser wieder genau in die Mitte des Prismas justiert hat. Nachdem die Daten über Bluetooth an den Feldrechner gesendet wurden, muss Herbert Häfner mit dem Stabreflektor nach Zuruf zur nächsten Gebäudekante weiter laufen. Dies wird solange fortgesetzt, bis die Messstation alle Eckpunkte des Gebäudes im Feldrechner gespeichert hat.

Nachdem es unaufhörlich weiter regnet, ist die Kleidung trotz Regenjacke und Mütze schnell durchgeweicht. Trotzdem wollen die Vermesser sich nicht so leicht geschlagen geben, getreu dem Motto von Christoph Olkus „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung“. Allerdings können durch die wuchernden Büsche rund um die Werkstatt die Stabreflektoren nur sehr schwer angepeilt werden. Christoph Olkus entscheidet, die Gebäudeeinmessung wegen des starken Regens abzubrechen. Die Geräte sollen nicht noch mehr Feuchtigkeit abbekommen. Schließlich will er auch nicht, dass die zwei völlig durchnässten Kollegen, die die Stabreflektoren getragen haben, die kommende Woche krank sein werden. Auf der Heimfahrt nimmt man die abgebrochene Vermessung mit Humor. „Wenigstens können wir heute pünktlich Feierabend machen“, sagt Sebastian mit einem verschmitztem Lächeln.

Dieser Beitrag entstand im August 2010.

Seite zurück nach oben Seite drucken